Der richtige Dreh: Die Coulombschen Experimente zur Untersuchung des Torsionsverhaltens von Metallfäden und was daraus über Physik erfahren werden kann
Abstract
Historischen Experimenten können verschiedene Funktionen im Rahmen der Ausbildung zugeschrieben werden. In diesem Beitrag wird ein Experiment vorgestellt, mit dem insbesondere erkenntnistheoretische Aspekte experimenteller Praxis im Unterricht thematisiert werden können. Charles Augustin Coulomb ist vor allem durch seine ab 1785 veröffentlichten Arbeiten zur Elektrostatik bekannt, in denen die Drehwaage eine wesentliche Rolle spielt. Die Basis dieses Geräts liegt in einer Abhandlung, die ein Jahr früher erschien und in der er die Torsion von Metallfäden untersuchte; das von ihm hierbei formulierte Torsionsgesetz besitzt auch heute noch Gültigkeit. Daneben untersuchte Coulomb in dieser Arbeit das Dämpfungsverhalten von Torsionsschwingungen. Eine genauere Analyse dieser Arbeit zeigt, dass die Formulierung seiner Ergebnisse zwei mathematische Interpretationen zulassen: Eine entspricht der auch heute in Lehrbüchern zu findenden Beschreibung, die andere führt zu absurden Konsequenzen. Bemerkenswerterweise stützen seine veröffentlichten Messwerte aber die zweite Interpretation. Im Rahmen des Beitrags werde ich aufzeigen, welche Ambivalenz die von Coulomb gewählte Messmethode besitzt und wie sich die skizzierte Problematik erklären lässt. Anhand der Diskussion dieses Beispiels lassen sich wissenschaftstheoretisch relevante Aspekte wie die Bedeutung der Messmethode und die Relevanz der Erwartungshaltung für das Produzieren eines experimentellen Ergebnisses aufzeigen. Bedingt durch das technisch unproblematisch zu realisierende Funktionsprinzip bietet sich dieses Experiment auch für die Behandlung im Rahmen des schulischen Physikunterrichts der Sekundarstufe II an.
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